02 Juni 2011

Was ist aus Eurer Revolution geworden? – Gedanken zum Arabischen Frühling.

Das Jahr 2011 brachte für die arabische Welt viele Veränderungen mit sich. Autor Tobias Lentzler macht sich ein paar Gedanken über den Fort- und Ausgang des Arabischen Frühlings.

Langsam verblüht der 'Arabische Frühling' und der Sommer wird zeigen, inwieweit er den aufbegehrenden Menschen die Demokratie und Freiheit bringen konnte, wie stark die einzelnen Regime sind und wie groß ihr Ansehen im Ausland bleibt.
Die Bürger Ägyptens hatten im Februar 2011 als erstes Land nach Tunesien ihren Usurpator Husni Mubarak gestürzt - nach wochenlangen Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz, der nun zu einem unvermuteten Symbol der Macht der Bürger wurde. Anfangs schien den Ägyptern ein Neuanfang der Politik und eine neue Herrschaftsform vergönnt, doch nach nunmehr drei Monaten verblasst der Glaube daran merklich. Der Tahrir-Platz ist noch immer von Protestierenden besetzt - unterschiedlichste Gruppen und Vereinigungen von Menschen treten dort für ihre Rechte ein - und die Übergangsregierung beginnt mit Waffen- und Polizeigewalt dagegen vorzugehen. Das einzige Mittel scheint ihnen in ihrer Macht- und Hilflosigkeit das der Waffen zu sein. Niemand weiß wie man Einigkeit unter den Bürgern schaffen kann; keiner weiß, wie viel Demokratie Ägypten verträgt. Vielleicht weiß dies aber keiner, weil sich niemand wirklich darum schert!
Es ist das Recht eines jeden Ägypters auf die Straße zu gehen, es erscheint ihnen in diesen Tagen sogar eine Pflicht zu sein. Denn die Revolution könnte vergessen werden, könnte verblühen - so wie der Frühling in den Sommer übergeht. Denn woher sollten die ägyptischen Volksvertreter wissen, wie eine Demokratie funktioniert? Es wäre die erste in Ägypten. Deshalb braucht das Land Unterstützung aus anderen Staaten; das fordern Künstler des Landes am Nil und auch Politiker.
Der Sommer könnte eine große Veränderung bringen, das Land im wahrsten Sinne des Wortes "revolutionieren". Denn die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die Neubildung und Neuwahl des Parlaments stehen noch bevor.

In Libyen hingegen tobt seit dem diesjährigen März ein Bürgerkrieg. Die libysche Bevölkerung erwehrt sich gegen die Allmacht von Muammar Muhammad al-Gaddafi, dem Revolutionsführer von 1969, der seit 42 Jahren das Land beherrscht. Die UN beschloss in Folge der nicht abreißenden Welle der Gewalt gegen die eigene Bevölkerung die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen. Damit berechtigt sie die NATO zu Bombenangriffen auf libysche Militärstützpunkte. Seit dieser Zeit wurden schon über 3500 Luftangriffe geflogen. Doch bis heute sind vor allem die Rebellen-Stadt Bengasi und das belagerte Misrata stark umkämpft. Immer wieder drängen libysche Aufständische Gaddafis Truppen zurück. Im Land wünscht man sich mehr Hilfe von den westlichen Mächten. Nach fast dreimonatigem Kampf wirkt Machthaber Gaddafi zunehmend isoliert. Fünf Generäle und zahlreiche Soldaten desertierten. Diese Ereignisse werden von der NATO als Zeichen nachlassenden Rückhalts und dem baldigen Ende von Gaddafis Herrschaft gesehen.

Syrien versinkt ebenso im Bürgerkrieg. Hier demonstrieren tausende Bürger gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, der sein Land gegen die Berichterstattung der Journalisten aus aller Welt in totalem Maße abschottet. - Die einzige Quelle über die man etwas erfährt, ist das Internet. Youtube-Videos von Demonstranten zeigen mit welcher Härte das syrische Regime gegen seine aufbegehrenden Bürger vorgeht.
Mehr als zehntausend Personen wurden seit Ausbruch der Revolution festgenommen. Größtenteils sind die Gefangenen politische Oppositionelle, Intellektuelle und Journalisten.

Der Sommer wird zeigen, wie wirksam das Aufbegehren der Bürger in Libyen, Syrien und Ägypten wirklich ist. Haben sie die Macht ihre Regierungen und Machthaber zu mehr Demokratie, Mitspracherecht und Freiheit zu bringen? Und wenn sie das können - haben sie die Stärke und das Durchhaltevermögen gegen mächtige Geheimdienste, gegen undurchschaubare Bürokratien und gegen das Militär vorzugehen?
Diese Länder brauchen Unterstützung. Die Ideen vieler Bürger, darunter Künstler, Gestalter und einfache Menschen sind vorhanden; bloß wer hilft ihnen diese Ideen durch- und umzusetzen?

Verblüht der Arabische Frühling oder trägt er die Früchte eines langen Sommers?