23 August 2011

Der Feingeist des deutschen Humors. – Ein Nachruf auf Loriot.

 Vicco von Bülow, einem jeden Deutschen bekannt als Loriot, starb am 23.August 2011 in seinem Haus am Ammersee. Sein Tod erschütterte nicht nur die deutsche Medienlandschaft, sondern auch den deutschen Humor. Autor Tobias Lentzler mit einem persönlichen Nachruf.

"Zur Komik gehört eine gewisse Fallhöhe. Wenn jemand eine Sache ernst anlegt und sie misslingt, dann entsteht Komik." Diese weisen Worte sprach Vicco von Bülow - jedem unter dem Namen Loriot bekannt - in einem Interview mit Günter Kaindlstorfer im November 2003. Mit diesem Satz hat er aufs Präziseste sein Verständnis von Humor zusammengefasst - diese Aussage schwingt in beinahe all seinen Sketchen und seinen beiden Kinofilmen "Ödipussi" (1988) und "Pappa ante Portas" (1991) mit. Szenen des Alltags werden bei Loriot mit solcher Ernsthaftigkeit durchgespielt, dass wir uns in jeder Szene ein stückweit wiedererkennen. Er nimmt deutsche Tugenden, eine gewisse Spießigkeit sowie einfache Annährungsversuche eines Mannes an eine Frau unter die Lupe und entdeckt, wie humorvoll und gar urkomisch das Leben sein kann.

Loriot, also Vicco von Bülow wurde am 12.November 1923 in Brandenburg an der Havel geboren und wuchs mit seinem jüngeren Bruder bei seiner Großmutter in Berlin auf. Mit 10 Jahren kamen die Beiden jedoch wieder zu ihrem Vater, dem Polizeimajor Johann-Albrecht von Bülow und zogen im Jahre 1938 nach Stuttgart. In Stuttgart besuchte Vicco von Bülow ein humanistisches Gymnasium, das er 1941 mit einem Notabitur verließ. In seiner Stuttgarter Zeit sammelte von Bülow erste Erfahrungen im Opern- und Schauspielbetrieb als Statist. Einer Familientradition folgend begann er eine Offiziersausbildung und wurde nach einem Einsatz an der Ostfront mit dem Eisernen Kreuz zweiter sowie erster Klasse ausgezeichnet.
Nach dem Krieg legte von Bülow sein Abitur ab und studierte auf Anraten seines Vaters zwischen 1947-49 Malerei und Grafik in Hamburg. In dieser Zeit entstanden die später charakteristischen Knollennasenmännchen. Ab 1950 arbeitete von Bülow als Grafiker für den Stern und das Hamburger Magazin Die Straße.
Interesse an der Veröffentlichung von von Bülows Zeichungen bestand nicht - erst 1954 veröffentlichte der Schweizer Diogenes-Verlag den Cartoon-Band Auf den Hund gekommen.
Die erste Zeichnung mit dem Namen Loriot entstand in der Zeit des Kunststudiums in Hamburg. Eine Zeichung aus dem Jahre 1949, die Loriot in Möpse und Menschen - eine Art Biographie als "etwas abseits meiner ernsten künstlerischen Ziele" bezeichnete, betitelte er erstmalig mit Loriot. Die Zeichung zeigt einen Mann, der auf einem Lehnstuhl sitzt und an die Decke blickt. An ihr hängen vier Seilwinden, die jeweils einen Gegenstand unter der Decke halten. Von links nach rechts sind die Gegenstände als Hut, Mantel, Mehl und Gäste bezeichnet.
Loriots Cartoons wurden von der Leserschaft vieler renommierter Magazine und Blätter kritisiert. Die "Knollnasen" waren ein besonderes Ärgernis in den Augen vieler. - Ich bin sicher, dass viele der damaligen Leser - sofern sie heute noch leben - ihre Meinung über Loriot änderten als er ab 1967 in der ARD mit Cartoon auftrat. In der Sendung, die bis 1972 unregelmäßig ausgestrahlt wurde, empfing Loriot Karikaturisten und andere Gäste. Vermehrt wurden auch Sketche in der Sendung gezeigt. Einem breiten Fernsehpublikum wurde Loriot spätestens ab 1976 bekannt, denn in diesem Jahr begann mit Loriots sauberer Bildschirm die sechsteilige Fernsehsendung Loriot, die selbstgeschriebene sowie selbstgespielte Sketche von Loriot zeigten. Evelyn Hamann und Loriot spielten in dieser Zeit oft gemeinsam.

Als ich acht Jahre alt wurde, da schenkte man mir einen Schuber mit DVDs. Darauf stand "Loriot". Ich wusste zu dieser Zeit nicht, wer das war, doch als ich mir die kleinen Sketche anschaute, musste ich unweigerlich lachen. Auch wenn ich Loriots wörtlichen Humor noch nicht genau verstand - bis heute entdecke ich jedes Mal aufs Neue wunderbarste Anspielungen - musste ich über Loriot als "komische Figur" lachen. Obwohl ich erst 1993 geboren wurde und die Sendung Loriot weit vor meiner Zeit ausgestrahlt und eingestellt wurde, empfinde ich bis heute eine tiefe Sympathie für seine Sketche, seinen Humor und Loriot an sich. Ich habe den Menschen Vicco von Bülow nicht gekannt. Ich habe bloß ein paar Interviews mit ihm geschaut - unter anderem das zum Tode von Evelyn Hamann. Aber ich kann sagen, dass ich Loriot bewundert habe, ihn immer großartig fand. Deutschland hat heute seinen wichtigsten Humoristen verloren. Er wird der deutschen Fernsehlandschaft erhalten bleiben, seine Sendungen werden wiederholt werden - da bin ich ganz sicher!
Und auch sein Humor wird uns überdauern. Mooooment!