15 Mai 2012

Bernd Begemann – Seiner Zeit voraus. Eine persönliche Betrachtung.

Den Ausschlag für diesen Text gab ein Konzert, dass Bernd Begemann mit seiner Band "Die Befreiung" am 11. Mai im "Knust" in Hamburg gab. Aus dem Stehgreif improvisierte er mit seiner Band einen Song mit ausgefeiltem Text. 

Bernd Begemann ist ein freundlicher, stattlicher und großer Mann mit einer tiefen, männlichen, wirksamen und dennoch zurückhaltenden- und teils Silben verschlingenden Stimme. Er ist eine Erscheinung. Er trägt bei seinen Konzerten Anzüge in beige und hellrosafarbene Hemden. Ein Musiker, der in seiner Musik lebt. In den Charts gibt es solche Typen wie ihn nicht. Jeder hat sich dort schon einmal für den Erfolg verbogen. - Ich habe Bernd Begemann letztes Jahr im Juli zufällig entdeckt; sein Song "Weil wir weg sind" erschien gerade auf einer CD des "Musikexpress". Er war eine Auskopplung des Albums „Wilde Brombeeren“ von „Bernd Begemann & Die Befreiung“. Ich war sofort beeindruckt: Einen deutschen Musiker mit derartigem Groove und so "undeutschen" Texten, hatte ich nie zuvor gehört. Begemann schreibt Songs, die es schaffen das "Typisch Deutsche" verschwinden zu lassen; die Melancholie, die verquarzte Art über Liebe und Sex zu sprechen, die düsteren Gedanken zum Ende einer Beziehung, die Heimatlosigkeit.
Bernd Begemann macht sich darüber lustig. Mit Texten, die auf den ersten Blick simpel und erst auf den zweiten Blick unglaublich hart erarbeitet und poetisch und beeindruckend klingen. Sie haben Kraft, transportieren eine Botschaft, sind humorvoll, lebendig, heiter - auch wenn es um die Unerreichbarkeit einer Verehrten, die Unrast in einer schnellen Welt oder das Thema "Heimat" geht. Während der deutsche Künstler Stefan Strumbel fragt: "What the fuck is Heimat?" und diese Sprüche auf Kuckucksuhren druckt, singt Begemann über seine Erfahrungen und Berührpunkte mit dem Gefühl, dem Begriff Heimat. Er singt über bereiste Städte, Kleine und Große, in denen die Menschen wohnen, die Heimat so definieren wie er sie besingt. Er ist nicht nur ein Beobachter, wenn er Texte und Melodien schreibt; vor allem ist er selbst die Person, die Erfahrungen macht.
Seit über zwanzig Jahren reist Bernd Begemann mit seinem Auto durch Deutschland, spielt in den kleinsten Städten und auf den winzigsten Bühnen vor manchmal zwanzig zahlenden Zuschauern. Er lebt für seine Musik. „Ein Musiker sollte Musik machen“, sagt er Anfang 2012 in einem Interview mit „kulturlog“. Begemann ist nicht an Geld oder Erfolg oder Ruhm interessiert. Ihn interessieren Menschen, Stimmungen, Gefühle. Er liebt Bücher und Filme, kennt sich in verschiedensten Musikszenen von den Charts bis in die speziellsten Ecken blind aus und schafft es seinen Gesprächspartner zu fesseln, zu begeistern. Begemann war der Erfinder des deutschen Folk mit Elektronik-Elementen und ein Pionier der Singer/Songwriter-Kultur. Heute macht das jeder. Vor zwanzig Jahren musste sich Begemann dafür entschuldigen, dass er Deutsch sang. Von dem Genre ganz zu schweigen. Er ist seiner Zeit voraus. Weit voraus. Immer auf der Suche nach neuen Songs, die hinter die Fassade von Menschen, Deutschland und sich selbst blicken. Begemann ist ein Erfinder, ein Bewahrer, ein Schwergewicht der deutschen Indie-Szene. Schade eigentlich, dass viele ihn nicht kennen. Seine Konzerte sind ein Erlebnis. Begemann gibt den Eigenwilligen, den Unverstandenen, den Meister, den Erfinder. Er entblättert seine Charaktereigenschaften auf der Bühne so wie er sein Hemd weit und weiter aufknöpft – und das Publikum lacht. Es bemerkt nicht, dass Begemann die Wahrheit sagt. Er ist ein Meister, er ist ein Unverstandener. Und er ist erst recht ein Erfinder. –
„In Zukunft wird es unglaublich viel Musik geben“, prophezeit Bernd Begemann und sagt: „Ich mache mir keine Gedanken über meinen Platz in der Geschichte.“ Das muss er auch nicht, denn den hat er schon längst. Wenn auch nur bei den Wenigen, die ihn verstanden haben.

08 Mai 2012

"Für mich gibt es nur ein Leben im Theater." – Isabella Vértes-Schütter im Interview.

Ende Februar diesen Jahres treffe ich Isabella Vértes-Schütter in der Intendanz des Ernst-Deutsch-Theaters. Das Gespräch bei Kaffee und Keksen über Theater, Aberglauben und Dramaturgie ist so interessant, dass ich es nicht nur in gekürzter Form in der Festivalzeitung "SPOT" (Schülertheaterfestival "theater macht schule" in Hamburg) abdrucken möchte, sondern auch hier.



Tobias Lentzler: Das EDT hat ja eine eigene Jugendsparte mit verschiedenen Jugendtheatergruppen. Worauf legen Sie dort wert? Ist das schon eine Art Talentschmiede oder geht es hierbei auch darum Jugendlichen die Freude am Theater zu vermitteln?

Isabella Vértes-Schütter: Als ich 1995 Intendantin des EDT wurde, haben wir begonnen darüber nachzudenken, was wir Jugendlichen anbieten können. Zunächst haben wir Produktionen für Jugendliche erarbeitet, sind später auch in die Schulen gegangen und haben dort Klassenzimmer-Stücke gezeigt. In der Auswertung dieser Projekte haben wir dann gemerkt, dass diese Angebote gar nicht das Wesentliche sind: Wir wollten eigentlich Jugendlichen den Theaterraum anbieten, der dann als Ort zum Ausprobieren eigener kreativer Möglichkeiten hätte genutzt werden können. Aus dieser Idee hat sich unsere Jugendsparte und 2003 das „plattform“-Jugend-Festival entwickelt. Dieses Festival ist heute die zentrale Jugendarbeit, die wir anbieten.

Tobias Lentzler: Sie haben eben bereits gesagt, dass es Ihnen wichtig ist Jugendlichen das Theater als Entfaltungsraum zu geben. Wie wichtig ist Theater 2012 denn generell?

Isabella Vértes-Schütter: Ich glaube die Situation von Theater hat sich in Metropolen schon verändert. Früher war das Theater das Forum in dem alle gesellschaftlichen Themen diskutiert wurden. Heute kann es das immer noch sein, doch das  Theater ist nicht mehr so selbstverständlich im Zentrum der Gesellschaft, wo es früher angesiedelt war. Ein Theater muss heute anders auf sich aufmerksam machen, aber nach wie vor ist es ein Ort an dem man die Gesellschaft in besonderer Weise spiegeln und in Frage stellen kann. Man kann Gegenmodelle entwickeln und es ist ein ganz wesentlicher Spielraum für unsere Gesellschaft. Diese ist heute ja sehr auf das Funktionieren in bestimmten Zusammenhängen ausgerichtet! Es ist ein wichtiger und wertvoller Ort. Gerade für junge Menschen. Denn dort können sie ihre Fragen stellen und wir können uns diese Fragen stellen lassen.

Tobias Lentzler: Das heißt also, dass das Konzipieren von Geschichten wie sie das Theater schreibt eine andere Sicht auf unsere Gesellschaft vermittelt. „Geschichten bauen – Dramaturgie“ ist ja auch das Thema des diesjährigen tms-Festivals. Was verbinden Sie persönlich denn mit dem so genannten roten Faden in einem Stück?

Isabella Vértes-Schütter: Mir ist es auch wichtig im Theater Geschichten zu erzählen. Das kann aber durch unterschiedliche Arten von Dramaturgie geschehen. Es kann sein, dass man einfach chronologisch eine Geschichte erzählt, es kann aber auch sein, dass man durch unterschiedliche Zeiten und Welten springt. Unsere Zeit ist in diesem Punkt ja auch sehr viel assoziativer. Wir leben mit ganz vielen Bildern und wir erleben oft, dass vor allem bei einem jüngeren Publikum der narrative „rote Faden“ an Bedeutung verliert. Manchmal sind da dann andere Assoziationsfelder viel wichtiger.

Tobias Lentzler: Zum Beispiel?

Isabella Vértes-Schütter: Zum Beispiel Bildwelten und Zitate an die man anknüpft. Auch Erlebnis- und Gefühlswelten, die uns auf unterschiedlichen Sinnesebenen erreichen sind wichtiger.

Tobias Lentzler: Fällt Ihnen ein Stück ein, dass diese Kriterien am besten umsetzt oder hängt das immer mit den Schauspielern, der Regie, den Masken- und Kostümbildnern zusammen?  

Isabella Vértes-Schütter: Manchmal ist die Grundlage kein fertiges Stück. Manchmal nimmt man bloß eine Stoffentwicklung vor oder ein Thema, welches man auf eine bestimmte Weise erzählen möchte. Die eine Frage ist: „Was wählt ein Autor?“ für eine Erzählweise? Und die andere Frage ist: „Welche Erzählweise wählen wir? Gibt es da wohlmöglich Widersprüche? Wollen wir die Geschichte vielleicht anders erzählen?“- Die Antworten auf solche Fragen sind im Theater immer Entscheidungen an denen ganz viele Menschen beteiligt sind. Man muss nur dazu kommen, dass es eine gemeinsame Idee gibt und alle an einer gemeinsamen Sache arbeiten. Dazu gehört natürlich ein Dramaturg, ein Autor, wenn er noch lebt, das Regieteam, die Bühnen- und Kostümbildner und alle Menschen, die diesem Gewerke zuarbeiten. Im Grunde genommen ist das ein riesiger Kommunikationsprozess. – Das macht Theater ebenfalls besonders: Unglaublich viele Menschen sind an dem Ergebnis – dem Stück – beteiligt. – Das Wichtige ist das Vertrauen in den Prozess, weil Theater etwas sehr Prozesshaftes ist. Irgendwann gibt es ein Ergebnis, welches man sich anschauen kann, doch auch das ist ja immer wieder unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt. Sei es die Interaktion mit dem Publikum oder die Veränderung eines Stückes nach einer Aufführung. Wir leben ja in einer sehr ergebnisorientierten Gesellschaft. Oft kommt dabei die Wertschätzung von Prozessen viel zu kurz!

Tobias Lentzler: Heißt das, dass Theater eher prozessorientiert sein soll?

Isabella Vértes-Schütter: Ich finde, dass ist das Spannende am Theater! Wenn man es von der kommerziellen Seite betrachtet, ist vermutlich das Ergebnis wichtiger mit dem man Geld verdienen möchte, aber das Spannende am Theatermachen ist der Prozess, wie ich finde!

Tobias Lentzler: Ich habe mich ein bisschen in Ihre Vita eingelesen. Sie sind Intendantin, waren beziehungsweise sind Schauspielerin, sind Ärztin und Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete. Wo bleibt denn für Sie da noch Zeit sich privat mit Opern, Theaterstücken und Konzerten auseinanderzusetzen? Oder fasst Ihre Arbeit die Auseinandersetzung mit ein?

Isabella Vértes-Schütter: Die Trennung zwischen Arbeit  und Freizeit ist für mich etwas sehr Künstliches. Meine Arbeit ist wahrscheinlich etwas, was ich gerne tue. Ich gehe gerne ins Theater, ich gehe auch in viele Konzerte und Ausstellungen. Das was ich da erlebe, hat natürlich direkte Auswirkungen auf meine Arbeit am Theater. Ich bin wahrscheinlich einfach da unterwegs, wo mich etwas interessiert.

Tobias Lentzler: Sie haben es eingangs bereits erwähnt – Sie sind seit 1995 Intendantin des EDT. Wie viel Friedrich Schütter steckt denn heute noch in Ihrem Theater und was hat sich seitdem verändert?

Isabella Vértes-Schütter: Ich glaube es steckt ganz viel von dem Geist Friedrich Schütters in diesem Theater. Das hat damit zu tun, dass der Gründungsgedanke des Theaters ganz viel mit dem zu tun hatte, was wir heute mit unserer Jugendsparte machen. Es ist bloß eine andere Zeit gewesen! Es war die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg wo alle kulturell ausgehungert waren. Friedrich Schütter und denen, die mit ihm gestartet sind, ging es darum, dem Nachwuchs eine Bühne zu geben und Stoffe auf die Bühne zu bringen, die lange verboten waren. Das war schon innovativ! Später ist das Haus mit ihm natürlich auch älter geworden. Es haben sich einige Sehgewohnheiten eingeschlichen. Manche Sachen sind, glaube ich, einfach nicht mehr in Frage gestellt worden. Was wir dann versucht haben, ist zu gucken wo unser Aufbruch ist. Es gibt da immer neue Ansätze. Die Jugendsparte war so ein Aufbruch. Jetzt versuchen wir gerade eine Kooperation mit einer freien Gruppe – auch ein neuer Aufbruch. Ich glaube man muss immer schauen, wo man neu aufbrechen kann und wo man sich mit Menschen verbindet, die tatsächlich etwas Neues versuchen wollen! In den Jugendklubs ist das zum Beispiel mit der Gruppe „Inperspekt“ gelungen, die wirklich eine neue Kunstform erforscht und kreiert hat. Das sind inzwischen ganz tolle Künstler, die hier am Haus arbeiten! – Vielleicht kommt irgendwann ein Zeitpunkt an dem man merkt, dass man keine neuen Antworten mehr findet. Dann müssen eben Jüngere ran! (lacht) Die Impulse, die wir auch von „tms“ mitbekommen sind wichtig! Es ist wichtig Jugendlichen Eingang in die Welt des Theaters zu gewähren.

Tobias Lentzler: Haben Sie spezielle Erwartungen mit denen Sie in das Festival gehen?

Isabella Vértes-Schütter: Neugier. – (überlegt) Sie hatten vorhin noch nach einer „Talentschmiede“ gefragt. Eigentlich ist unsere Jugendsparte so aufgebaut, dass wir versuchen für alle Jugendlichen zugänglich zu sein. Die Frage ist immer wer den Weg hierher findet! Ich glaube man muss einen bestimmten Weg hinter sich bringen, damit man überhaupt den Weg in eine Theatergruppe findet. – An den Schulen wo wir Jugendgroßprojekte anbieten, versuchen wir darauf zu achten, dass es an den ausgewählten Schulen nicht schon ein großes, kulturelles Angebot gibt. Wir möchten, dass auch Jugendliche, die noch nie im Theater waren Theater kennenlernen! – Auf der anderen Seite entwickelt sich in den Jugendklubs natürlich auch eine eigene Sprache. Ich denke die Gruppe „Inperspekt“ ist schon eine Talentschmiede. „Inperspekt“ ist unser Medienjugendclub. Die Meisten aus dieser Gruppe wollen gerne in diesem Bereich arbeiten. Es ist wirklich erstaunlich, was junge Menschen für eine Leistung erbringen! Das sind nicht immer die, die in der Schule besonders erfolgreich sind. Schule fördert viele Talente nicht ausreichend. Theater hat die Chance das Potenzial vieler Jugendlichen zu fördern.

Tobias Lentzler: Wie kann mich denn aber Theater faszinieren, wenn ich relativ offen bin, aber keinen Zugang zu diesem Medium habe? Das ist heute ja oft der Fall! Gibt es da einen Weg?

Isabella Vértes-Schütter: Ich würde mir wünschen, dass die Lehrpläne da anders aufgestellt wären. Die Klassen sollen ein Theater nicht besuchen, weil sie einen bestimmten Stoff im Deutschunterricht bearbeitet haben. Man müsste wie in England festlegen, wie oft jede Stufe in Theater, Konzerte oder Ausstellungen geht. Das ist hilfreich diese Orte kennenzulernen und zu begreifen, dass ich von diesen Orten etwas habe! – Viele Jugendliche haben hier eine große Schwelle. Ich glaube der beste Weg ist es selber gemacht zu haben! Deswegen ist tms toll! Wenn man selber auf einer Bühne gestanden hat, hat man eine ganz andere Möglichkeit das Gesehene zu reflektieren.


Tobias Lentzler: Ich habe mir mal wahllos drei Aussagen herausgesucht, die alle etwas mit Theater zu tun haben. Vielleicht sagen Sie einmal mit einer kurzen Begründung, ob die zutreffen oder nicht.         

1.) "Theaterspielen macht abergläubisch.“

Isabella Vértes-Schütter: (lacht) Theaterspielen nicht. Aber es gibt in vielen Theatern einen bestimmten Aberglauben. Dass man montags nicht mit dem Proben anfangen sollte, dass man auf der Bühne nicht essen sollte, dass man nicht pfeift im Theater. Da gibt es eine ganze Menge an Überlieferungen und ich würde das auch nie im Theater tun!

2.) „Es gibt ein Leben nach dem Theater.“

Isabella Vértes-Schütter: Für mich gibt es nur ein Leben im Theater. (lacht) Als Schauspielern betrachtet würde ich aber sagen, dass man in eine Figur einsteigen – und auch wieder aus ihr aussteigen kann. Das gehört zur Profession des Schauspielers. Alles andere ist weder für die schauspielerische Leistung, noch für die eigene Seele gut.

3.) Tankred Dorst hat einmal gesagt: „Theater wird meistens gar nicht so sehr für das Publikum gemacht, sondern für die reisenden Kritiker.“

Isabella Vértes-Schütter: Hm. Das ist vielleicht ein Auswuchs des Subventionstheaters. Das kann schon sein. Mich bewegt das allerdings nicht so. Ich glaube, man muss Theater aus einer inneren Notwendigkeit heraus machen. Wenn man keine Geschichte zu erzählen hat, dann sollte man auch keine erzählen! Man muss erzählen wollen. Es gibt auch Geschichten bei denen wir sagen, dass wir sie machen müssen, obwohl sie den Leuten vielleicht nicht gefallen! Es ist aber mindestens so schädlich Theater für reisende Kritiker zu machen, wie Zuschauern bei der Stückwahl nach dem Munde zu reden! Es ist unsinnig Theater am Publikum vorbeizumachen. Man braucht die Interaktion mit dem Publikum. Geschichten erzählen und sie niemandem erzählen zu wollen, ist ja auch absurd! In erster Linie muss es aber eine künstlerische Notwendigkeit geben etwas auf die Bühne zu bringen. Wenn es beliebig ist, was auf der Bühne gespielt wird, dann brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, dass es niemanden interessiert. Daher muss die Kraft kommen!

Tobias Lentzler: Trotzdem sieht man sich von Kritikern beeinflusst, nicht wahr?

Isabella Vértes-Schütter: Ich glaube, dass es zu dem Theater gehört sich auszusetzen. Man setzt sich dem Publikum und der Kritik aus! Es gehört auch zur Professionalität dazu dass man lernt damit umzugehen. Ohne Verletzungen geht das nicht.

Tobias Lentzler: Um noch einmal einen Bogen zu der Prozesshaftigkeit von Theater von der Sie vorhin sprachen, zu spannen: Heißt das, dass ein Stück noch nicht abgeschlossen ist, wenn es auf die Bühne gelangt? Es gibt danach ja Kritiken und Publikumsreaktionen.

Isabella Vértes-Schütter: Eigentlich ist es nie abgeschlossen. Es gibt Theaterformen, die sehr festgelegt sind – zum Beispiel Musicals, aber so wie wir arbeiten, ist das nie zu Ende! Bei uns ist eine Premiere sicherlich eine andere Vorstellung als die Letzte. Wenn es einen guten Prozess gibt, dann muss das so sein!

Tobias Lentzler: Letzte Frage: Was ist Ihre erste Erinnerung ans Theater?

Isabella Vértes-Schütter: Mit drei Jahren habe ich im Zuschauerraum der Staatsoper gesessen und meine Mutter, Helga Pilarczyck, hat gesungen und ein Bühnenkind auf dem Arm gehabt und ich dachte bloß: „Da möchte ich hin!“ (lacht)

Tobias Lentzler: Es ist Ihnen offensichtlich gelungen! Vielen Dank für das Gespräch!