28 August 2014

Die Notwendigkeit der Veränderung. – Reisenotizen über New York City.

New York City zählt zu den bemerkenswertesten Städten der Welt. Nicht bloß, weil über diese Metropole an der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika unzählige Lieder, Romane und Filme geschrieben wurden, sondern weil sich die Stadt in einem beständigen Prozess der Veränderung befindet. Nirgends wird einem so deutlich, wer oder was eine Stadt zu prägen weiß. - Ein paar Reisenotizen aus Amerika.

New York City ist eine Stadt, die Veränderung nicht bloß befördert, sondern geradezu notwendig macht. Die schiere Höhe der Gebäude, der nie enden wollende Strom aus Touristen, Arbeitern und New Yorkern, die unzählig funkelnden Lichter der Nacht, der Verkehr, der sich wie ein mit Eisschollen durchsetzter Fluss durch die Stadt zieht, die vielen Gesichter dieses einen großen Apfelkerns, der sich nicht die Seele Amerikas, aber mit Sicherheit das Lebensquell der Vereinigten Staaten nennen darf - all das benötigt, befördert und begleitet Veränderung.
Diese ist im ersten Schritt eine Anpassung. - Schnelleres Gehen, das gleichzeitige Sich-in-der-Masse-treiben-lassen lernen, den schnellen Kaffee zum Mitnehmen aus dem Deli holen, Menschen die nicht in die Luft, sondern auf ihre Smartphones starren.
Aus Anpassung wird schnell eine Art Sicherheit, die Bewegungs- und Tagesabläufe ordnet und begleitet. - Dort, wo nach 9/11 der Stolz und Widerstandswillen der Amerikaner aus den Schwelen der Zwillingstürme des World Trade Center sich erhob, ist man zuhause, wenn man sich auf diese Art von Veränderung einlassen kann. - Es ist ein Leben gegen alteingesessene Gewohnheiten, eine ständige Metamorphose des Selbst und am Ende doch immer ein Genuss und Fest des Lebens. Einst beschrieb ein guter Freund von mir New York City als die "prägende Stadt des 20. Jahrhunderts und des frühen 21.Jahrhunderts." - So wie es Paris im 19.Jahrhundert war. 
Wer nach New York City kommt, wird amerikanisch und lässt seine Nationalität und sein Selbst als Abdruck und Duftnote in dieser Stadt zurück. Weil wir uns durch New York City verändern, verändert New York City sich durch uns.  

25 Juni 2014

Wider die Dampfplauderei. – Ein nachdenklicher Gedankengang.

Die politische Kultur in unserem Lande durch argumentative Diskurse und eine mit Würde geführte Streitkultur bereichern zu wollen, ist ein nobles sowie notwendiges Ziel. Angst und Bange jedoch wird es mir, wenn zu beobachten ist, wie eine Diskussion aus dem Ruder laufen kann oder kein Teilnehmer der Diskussion bereit ist, die Meinung des anderen zu tolerieren.

Mir liegt daran, etwas zu der Diskussionskultur in und um das soziale Netzwerk Facebook zu sagen, welche in den letzten Wochen eine in meiner Wahrnehmung ungekannte Niveaulosigkeit erreicht hat. Ich werde mich davor hüten Partei zu ergreifen für oder gegen den Diskussionsgegenstand, welcher mir die traurige Notwendigkeit abringt, diesen Artikel zu schreiben. Es bedarf nicht noch eines weiteren Schürens des ohnehin schon brennenden Feuers. Es geht mir darum einmal mehr - wie bereits in meinem vorangegangenen Artikel - darauf hinzuweisen, dass weder die freie Meinungsäußerung, noch die Verschiedenheit der politischen Orientierung, uns das Recht gibt, in unflätiger und mithin beschämender Art miteinander zu streiten. 
Die politische Kultur in unserem Lande durch argumentative Diskurse und eine mit Würde geführte Streitkultur bereichern zu wollen, ist ein nobles sowie notwendiges Ziel. Jedweden Gegenstand und jedwede Entscheidung jedoch zu einem Politikum zu machen, halte ich für gefährlich. Die Debatte auf welche ich mich beziehe, zeigt in herausragender Art und Weise, welch Dampfplauderei und Humbug auf Facebook dadurch Raum gegeben wird. 
Kommentare auf Facebook im Speziellen verleiten dazu, erst seinen Sermon abzuliefern und erst dann über das Geschriebene zu reflektieren. Sie verleiten des weiteren dazu Verkürzungen eines zumeist komplizierten Sachverhaltes zu sein und bedingen somit in Ihrer Verkürzung Missverständnisse, Provokation und Unmut. - Es macht mir Angst zu sehen wie oft wir auf jeder Seite der Debatte von unseren Mitmenschen Toleranz einfordern, die wir selber nicht erbringen wollen und es beschämt mich in welcher Form Menschen, die einen persönlichen Umgang miteinander pflegen, einander beleidigen oder bloßstellen. 
Der Wunsch nach einer neuen politischen Debattenkultur und neuen Grundsätzen für unsere Demokratie werden zum Geschwätz, wenn die Grundsätzlichkeiten eines jeden zivilisierten Zusammenlebens mit Füßen getreten werden. Vandalismus, Radikalismus und Intoleranz sind weder Kavaliersdelikt noch akzeptabel. Wer seinen Standpunkt nicht argumentativ und ohne böses Blut zur Sprache bringen kann, sollte sich besser zurückhalten. Denn sei die Idee dahinter noch so nobel: Am Ende schaden sie der Diskussionskultur und unserer Demokratie.


22 Juni 2014

Die Grenzen des guten Geschmacks. – Über Kommentare auf Facebook.

Seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern gehört zu den Grundrechten eines jeden Menschen. Zugesichert nicht nur durch Artikel 5 des deutschen Grundgesetztes sondern auch durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen in Artikel 19. Beängstigend ist jedoch, welch Schindluder unter dem Schutzmantel der Meinungsfreiheit immer wieder in den sozialen Medien getrieben wird. Ein Kommentar über das Kommentarverhalten auf Facebook.

Kommentare auf Facebook machen es einem Menschen oftmals sehr einfach zum Menschenfeind zu werden. Was Internetnutzer über einander oder über Dritte äußern, ist oftmals beschämend, beleidigend und mitunter gar beängstigend. Die Grenzen des guten Geschmacks sind - das wissen wir alle - dehnbar und immer von subjektiver Färbung. 
Jedoch kann ich nicht umhin, mich immer wieder kopfschüttelnd darüber zu wundern, zu welch verbalen Blähungen wir untereinander fähig sind. Ob es nun rassistische, rechtsradikale oder verhöhnende Äußerungen sind - fast jeder öffentliche Facebook-Beitrag einer öffentlichen Person, eines Unternehmens, eines Bundesministeriums oder einer NGO wird zu einer Wortschlacht. - Diskussionen unter Beiträgen haben ihre Berechtigung. Jeder hat das Menschenrecht seine Meinung frei zu äußern. Doch in vielen Fällen werden die Grenzen dieses Rechts zumeist sehr weit ausgedehnt. Wer seine Meinung äußert, hat nicht das Recht die Meinung eines anderen ungebührlich einzuschränken. Im Grundgesetz ist die Meinungsfreiheit durch Artikel 5, Absatz 2 folgendermaßen beschränkt: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Gerade das Recht der persönlichen Ehre wird auf Facebook gerne einmal angekratzt. - 
Mit bangem Blicke verfolge ich wie sich sogar Personen, die sich untereinander kennen, einander ständig im Schul- oder Universitätsalltag begegnen, im Netz gegenüber einander zu Kommentaren hinreißen lassen, die sie einander niemals ins Gesicht sagen würden. - Es lässt sich darüber spekulieren, ob die immer wieder und viel zitierte "Anonymität des Internets" solche Eskapaden ermöglicht oder ob es die fortwährend bestehende Möglichkeit des Löschens seiner Kommentare ist, die Internetnutzer antreibt, einander Beleidigungen an den Kopf zu schleudern. -
Es fällt mir schwer meine Wut darüber zu unterdrücken. Facebook-Nutzer sind immer und zu jedem Zeitpunkt real existierende Menschen, die von harschen Äußerungen auf den Bildschirmen getroffen werden. - Rassismus, Rechtsextremismus und Beleidigungen gegenüber anderen Menschen haben im öffentlichen Raume nichts verloren. Das Internet ist ein öffentlicher Raum; und Facebook ist es auch. Es ist beschämend wie viel Hass Menschen einander gegenüber in Worten zum Ausdruck bringen können.

Anmerkung:
Dieser Artikel kritisiert das Verhalten von Facebook-Nutzern, die die Grenzen der Meinungsfreiheit übertreten. Er stellt in keinem Falle die freie Meinungsäußerung in Frage. De facto ist er selbst ein Stück freie Meinungsäußerung! 

21 Januar 2014

Pop des Jetzt. – Gedanken zum Hype um Julia Engelmanns Poetry Slam-Viral.

Tja. Da hat Deutschland den ersten Internet-Hype 2014: Julia Engelmann. Eine junge Psychologie-Studentin, die im Mai 2013 beim 5.Bielefelder-Hörsaalslam auftrat, wird zunächst von stern.de und anderen großen Online-Magazinen in den Himmel gelobt bis die Lobhudeleien in Kritik umschlagen.
Was ist da los? 

Julia Engelmann ist jung. Aber immer noch ein Jahr älter als ich. Julia Engelmann ist Studentin. Genau wie ich einer bin. Julia Engelmann textet. Ich auch. - Das tun viele andere auch. Nur sie hat mit ihrem Auftritt auf dem 5.Bielefelder-Hörsaalslam einen Hype ausgelöst, der in dieser Form seinesgleichen sucht. - Irgendwann Mitte Januar 2014 fand ich in meiner Facebook-Timeline immer wieder ein und dasselbe Youtube-Video: "5.Bielefelder Hörsaal-Slam-Julia Engelmann-Campus TV 2013". Wie das so ist, wenn ein Video mehrfach geteilt wird, klickt man es irgendwann selber an. Vor mir tat sich eine recht gewöhnliche Poetry-Slam-Bühnensituation auf. 

Julia Engelmann, die Slammerin, die in den nächsten Tagen so hochgejubelt werden sollte, trat in einer mit Glitzersteinchen besetzten Jeansjacke, einem lilafarbenen T-Shirt und einer blauen Hose zu Saxofon-Musik und Applaus auf. Sie wirkte bühnenerfahren und brach binnen Sekunden mit einigen Lachern das Eis. Soweit so gut. Das hatten viele Poetry Slammer vor ihr gezeigt. Das war nichts ungewöhnliches. - Der Hype um das Video entwickelte sich, weil sie sich Gedanken zu ihrer Generation machte. Das Lied "One Day/Reckoning Song" und vor allem die Zeile "One day baby we'll be old/ oh baby we'll be old/ and think of all the stories that we could have told" boten ihr die Grundlage für ein paar sehr grundsätzliche Gedanken zu ihrer und somit auch zu meiner Generation. Das Leben im Konjuktiv, das nostalgische Geseufze: "Hätte ich, ach hätte ich doch bloß..." und der Wunsch etwas zu erreichen, umtreiben diese Generation laut "der klugen Frau Engelmann" wie Spiegel Online sie auf Facebook in einem Post nannte. 

Tja. Ich möchte das nicht bestreiten. Viele von uns leben ihr Leben bloß in Traumblasen, die zerplatzen sobald Arbeitsaufwand, Realität oder notwendiger Tatendrang uns im Wege stehen. Viele grübeln und denken zu viel nach, viele harren der Dinge und wundern sich, dass sie sich nicht von selbst verändern. Aber: Das ist nicht sonderlich wichtig. Es geht nicht darum wie ich eine Generation beschreibe, wie ich sie charakterisiere, wie ich versuche sie zu illustrieren. Das sollen Generationen nach uns tun. Wenn wir alt sind. Oder schon lange vergangen. - Julia Engelmann legt ihren Text als klassische pop-romanhafte Zustandsbeschreibung an - und scheitert. Wie so viele vor ihr. Ob Florian Illies mit "Generation Golf", all die Benjamin von Stuckrad-Barre Bücher (mit Ausnahme seines legendären "Soloalbums") oder Helene Hegemann mit "Axolotl Roadkill". Das ist nicht ihre Schuld. Es ist auch nicht die Schuld unserer Generation oder irgendeiner anderen vorangegangenen. Es ist die schlichte Tatsache, dass Pop, also das aktuelle, das jetzige, das allgegenwärtige, nicht so beschrieben werden kann wie viele Autoren es sich vorstellen. Bernd Begemann, der aus meiner Sicht einzige wirkliche deutsche Pop-Chronist unserer Zeit, hat in einem Interview mit mir einmal gesagt: "Pop ist jetzt!" - Das charakterisiert den Pop für mich seither. 

Pop nimmt sich nicht allzu ernst. Genauso wie Bernd Begemann seine Texte nicht mit Ernsthaftigkeit überlädt. - Popromane werden oftmals mit der falschen Intention geschrieben. Sie wollen eigentliche Generationen-Romane (siehe Thomas Mann) sein und etikettieren sich aus Angst vor dem Scheitern daran schlichtweg in "Poproman" um. - Julia Engelmann ist ohne Zweifel eine talentierte Poetry Slammerin. Sie hat eine angenehme Stimme, verwendet coole Metaphern und hat eine Bühnensouveränität, die viele andere Slammer noch entwickeln müssen. Aber sie wurde von stern.de, Spiegel Online und all den anderen großen deutschen Magazinen zu einem Hype und als "Sprecherin ihrer Generation" erklärt. - Die Wut vieler aus "dieser" Generation und vielleicht auch etwas älteren Semester erklärt sich mir nur wie folgt: Neid, Unbeholfenheit und die Suche nach den richtigen Worten lassen am Ende bloß eine wütende Reaktion zu. - Wie soll man erklären warum dieses Video uns trifft und gleichzeitig nicht für uns steht? Wie soll man begreifen, dass ein Video von einer jungen Frau so gefeiert wird? Und wie erklärt man sich, dass sie manchmal verdammt noch einmal recht hat? - Ja. Eines Tages werden wir alt sein und auf die Dinge zurückschauen, die wir hätten tun können. Aber das war immer schon so. Das ist nicht Pop. Das ist nicht jetzt. Das ist: nur allzu menschlich!