31 März 2015

Der Mann, der die Worte liebte. – Ein Nachruf auf Helmut Dietl.

Helmut Dietl, einer der großen deutschen Regisseure, ist im Alter von 70 Jahren an den Folgen einer Lungenkrebserkrankung gestorben. Fernsehserien wie "Monaco Franze – Der ewige Stenz" oder "Kir Royal" machten ihn berühmt. 1992 wurde er für seinen ersten Kinofilm "Schtonk!" für den Auslandsoscar nominiert. Dietls Filme waren bitterböse Satiren auf den Medienbetrieb, amüsante Komödien über die Münchener Schickeria und immer auch Liebeserklärungen an geschliffene Dialoge.
  
Helmut Dietl war ein großer Perfektionist, wenn es um seine Fernsehserien oder Spielfilme ging. Sein eigenes Leben, seine eigenen Erfahrungen spielten dabei, so hat er es in Interviews dargestellt, die wichtigste Rolle, um eine Geschichte für das Fernsehen oder Kino erzählen zu können. Über was könne man sonst schreiben?, fragte er. – Dietls Geschichten, die er oft zusammen mit dem Patrick Süskind ("Das Parfum", "Der Kontrabass") schrieb, waren vielschichtig, mitreißend, komisch und immer von geschliffenen Dialogen geprägt. Sätze wie "Wer reinkommt, das bestimme immer noch ich!" von Baby Schimmerlos, dem an Michael Graeter angelehnten Klatschreporter, aus der 1986 gedrehten Serie "Kir Royal", haben sich tief in das kollektive Filmgedächtnis der Deutschen eingebrannt. 
Dietl machte München – so steht es in einigen Nachrufen (so z. B. in der "Abendzeitung") – zur heimlichen deutschen Hauptstadt vor der Wende. Er stellte die höhere Münchener Gesellschaftsschicht, die Schickeria, immer mit dem Blick eines Emporkömmlings dar. Nie war er ganz Teil dieser Gesellschaft. Vielleicht gerieten seine Fernsehserien (hier sind vor allem "Monaco Franze" (1982) und "Kir Royal" zu nennen) oder seine Spielfilme (in erster Linie "Rossini, oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief" von 1997) deshalb immer zu bitterbösen und irgendwie doch liebevollen Überzeichnungen des Szenelebens in und um München. 

Gerade "Kir Royal" habe ich, als ich die Serie das erste Mal sah, immer mit diesen gemischten Gefühlen zwischen bitterböser Satire und liebevoller Überzeichung betrachtet. Es musste ein tolles Gefühl sein "dazu zu gehören". Wozu auch immer man da gerade gehörte. Und gleichzeitig schien diese Oberschicht so weltfremd und abgenabelt von den echten Problemen der Menschen zu sein. Politische Überzeugungen wurden kaum ausgetauscht oder führten dazu, dass sich die Münchener High Society sprichwörtlich von einem abwendete (so geschehen bei Friederike von Unruh, der von Ruth Maria Kubitschek gespielten Verlegerin der fiktiven "Münchener Allgemeinen Tageszeitung" nachdem Baby Schimmerlos illegale Waffengeschäfte eines fiktiven Königreiches entarnt hatte). 
"Kir Royal" ist zweifelsohne Helmut Dietls Meisterstück. Noch heute gibt es keine vergleichbar gute, deutsche Fernsehserie. Das Staraufgebot um Franz Xaver Kroetz, Dieter Hildebrandt, Senta Berger und Billie Zöckler, um nur einige zu nennen, Gastauftritte von Mario Adorf oder Edgar Selge, sind legendär. Und die Dialoge sowie die variantenreiche und oftmals dialekt-geprägte Sprache sind ein Hochgenuss und bringen einen immer wieder zum Lachen.
Helmut Dietl ist am 30. März 2015 im Alter von 70 Jahren an den Folgen einer Lungenkrebserkrankung gestorben. Er war ein Mann, der die Worte liebte.

12 März 2015

Rezension: Sehnsucht, ein pochendes Herz und die richtigen Worte. – Wanda und Kraftklub live in Hamburg.

Am 11. März 2015 gastiert Kraftklub mit der "In Schwarz"-Tour in der Sporthalle in Hamburg. Die Vorband Wanda aus Österreich unterstützt sie an diesem Abend ein letztes Mal und zeigt, dass sie das Zeug zu großen Musikern haben. Diese Rezension stellt sie in den Mittelpunkt. - Der einzige Kritikpunkt des Abends ist übrigens einmal mehr der Sound in der Sporthalle. Für den können die Künstler nichts. Doch die Probleme sind bedauerlich, denn einmal mehr verhageln sie den ganz großen Musikgenuss. 

Wanda, eine junge Band aus Wien schafft es mühelos ein flirrendes Lebensgefühl einzufangen. Dieses Taumeln zwischen unbändiger Liebe, Liebesleid und leichtsinniger, oftmals so inspirierender und erfrischender Jugend erinnert in Teilen an Romane wie "On The Road" von Jack Kerouac. Wandas Texte sind witzig (an anderer Stelle wird hier immer wieder von dem so bekannten Wiener Schmäh geschrieben), geistreich und gleichzeitig einfach gehalten. Sie bieten jedem Zuhörer eine Identifikationsmöglichkeit. Schlichtweg geniale Versatzstücke wie der erste Satz des Eröffnungssongs "Luzia" an diesem Mittwochabend in der Sporthalle in Hamburg "Weil Du weiße Zähne hast/ obwohl Du ständig rauchst", werden auf "Amore", dem ersten Album von Wanda gerne wieder verwertet.
Selten schafft es eine Vorband dem Publikum noch vor dem Hauptact so einzuheizen. Marco Michael Wanda, der Frontmann, erweist sich als grandioser Entertainer mit einem unglaublichen Charisma und einem Selbstbewusstsein, welches jeden Zuschauer einfach mitreißen muss. 

Da es Wandas letztes Konzert als Vorband von Kraftklub ist, haben die fünf Musiker aus Österreich es mit allerlei Schabernack zu tun, den sie mit Humor erdulden und ihn sogar in die Bühnenperformance mit einbauen. - Als es auf einmal Federn von der Hallendecke regnet, legt sich Marco Michael Wanda während eines Solos von Gitarrist Manuel Christoph Poppe auf die Bühne und spielt Schneeengel. Als ein Astronaut die Bühne stürmt, küsst der Frontmann ihn aufs Visier. Nicht selten geht ein Raunen durchs Publikum: "Sind die süß!". 
Dass Wanda ihr Publikum im Griff haben, zeigt sich, als nach dem Ende eines Songs lautstark "Kraftklub, Kraftklub"-Rufe durch die Halle schallen. Marco Michael Wanda legt den Finger an die Lippen und flüstert: "Psst. Wir wollen sie nicht verschrecken." - Dann spielen sie ihren bisher bekanntesten Song "Bologna" und die Halle tobt. - Manchmal scheint es, als schallten anstatt Gitarren- oder Keyboardklängen (Christian Hummer) Sehnsüchte lautstark durch die Halle. Das Schlagzeug (Lukas Hasitschka) und der Bass (Ray Weber) klingen dann wie ein pochendes Herz und der raue und ehrliche Gesang des Frontmanns wie die richtigen Worte, die man im echten Leben nie fände.
Wanda ist eine Band, die gerade steil geht. Berichte in der SZ, im NDR oder im ZDF machen sie immer populärer. Umso sympathischer, dass sie jeden Abend auf die Bühne gehen, eine geniale Performance abliefern und es mit Bernd Begemanns Worten "Ein Sänger sollte singen!" halten. 

Trotz der einmal mehr schlechten Akustik in der Sporthalle Hamburg, war Wanda als Vorband des Kraftklub-Konzertes ein ehrliches und großartiges Erlebnis!

Nach einer längeren Umbaupause begann Kraftklub mit einem sehr langen und sehr intensiven Konzert, welches von einem (wenngleich gescheiterten) Anruf bei einem Fan, der keine Karten für das lange ausverkaufte Konzert bekommen hatte, über Konfettiregen und eine großartige Lichtshow sowie ein Medley vieler Songs des ersten Albums alles bereithielt, was ein Fan-Herz begehrt. 
Kraftklub ist inzwischen eine große Nummer in der deutschen Musikszene. Sie sind für drei Echos nominiert und einige ihrer Songs sind bereits Hymnen oder mit Sätzen wie "Ich will nicht nach Berlin!" in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. 
Dass Leadsänger Felix Brummer durch seine Gesten und das Tamburin, was er zwischenzeitlich schlug, ein bisschen wie Liam Gallagher wirkt, passt irgendwie gut ins unangepasste und gleichzeitig massentaugliche Image der Band. - Highlight des Konzerts war die wirklich episch vorgetragene Indie-Hymne "Meine Stadt ist zu laut".